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Was genau ist die Funktion des Verstandes? Hilft er der Sadhana oder hindert er sie?
Ob der Verstand eine Hilfe oder ein Hindernis ist, hängt von der Person ab und wie sie ihn gebraucht. Es gibt eine richtige Anwendung des Verstandes und eine falsche; die eine hilft der Sadhana, die andere hindert sie. Der Verstand, der zu sehr von seiner Wichtigkeit überzeugt ist und seine eigene Befriedigung sucht, ist ein Hemmnis für die höchste Verwirklichung. Das gilt übrigens nicht nur für den Verstand, sondern ebenso für die anderen Kräfte. Blinde und unmäßige Befriedigung vitaler Begierden oder tierischer Gelüste zum Beispiel hält man im Allgemeinen nicht für eine Tugend; das moralische Gefühl hilft als Ratgeber die Grenzen stecken, die man nicht überschreiten sollte. Nur für die geistigen Betätigungen meint der Mensch einen solchen Ratgeber oder Richter entbehren zu können! Jeder Wesensteil, der an seinem Platz die ihm zugewiesene Rolle spielt, ist eine Hilfe; verlässt er aber seinen Wirkungsbereich, so wird er entstellt und pervertiert und folglich falsch. Eine Kraft wird richtig gebraucht, wenn sie für die göttliche Sache eingesetzt wird, und falsch, wenn sie zur eigenen Befriedigung dienen soll. Der Verstand ist seiner wahren Natur nach ein Werkzeug des Ausdrucks und der Tat. Er ist etwas wie ein Mittler zwischen dem wahren Wissen, das in den höheren Regionen über dem Geist wohnt, und der Verwirklichung hier unten. Der Verstand — oder der Geist, um vom Gesamten zu sprechen — verleiht die Form; das Vitale trägt dazu die Dynamik und die Kraft des Lebens bei; der Stoff endlich liefert den Leib.
Auf welche Weise soll man den feindlichen Kräften begegnen, die unsichtbar und doch so lebendig greifbar sind?
Das hängt weitgehend vom Entwicklungsstand eures Bewusstseins ab. Am Anfang, wenn man über kein Wissen und keine besonderen okkulten Kräfte verfügt, bleibt man am besten so friedvoll und still
- 36- wie möglich. Nimmt der Angriff die Form von feindlichen Einflüsterungen an, so versucht sie in aller Ruhe wie einen stofflichen Gegenstand wegzuschieben. Je ruhiger ihr seid, desto stärker werdet ihr. Die feste Grundlage aller spirtlichen Kraft ist seelischer Gleichmut. Lasst nichts euer Gleichgewicht stören; denn wenn ihr es bewahrt, könnt ihr allen Angriffen standhalten. Habt ihr außerdem noch genügend Unterscheidungsvermögen, um schlechte Einflüsterungen zu durchschauen und zu entlarven, sobald sie auf euch zukommen, dann fällt es euch umso leichter, sie abzuweisen; aber manchmal kommen sie unbemerkt, und dann ist es schwieriger, ihnen zu begegnen. In diesem Fall muss man ruhig bleiben und Frieden und tiefe innere Ruhe herabkommen lassen. Nehmt euch fest zusammen und ruft voll Glauben und Vertrauen; wenn eure Sehnsucht rein und beharrlich ist, dürft ihr sicher sein, die nötige Hilfe zu erhalten. Angriffe von feindlichen Kräften sind unvermeidlich; man muss sie als Prüfungen auf dem Weg betrachten und den Sturm mutig durchstehen; hat man ihn aber hinter sich, so ist etwas gewonnen, man ist ein Stück vorangekommen. In gewissem Sinne sind die feindlichen Kräfte sogar nötig: sie stärken die Entschlossenheit und klären die Sehnsucht. Es stimmt auch, dass es sie nur deshalb gibt, weil ihr ihnen Ursache gebt zu sein. Solange ihnen irgend etwas in euch antwortet, ist ihre Einmischung völlig gerechtfertigt. Würde nichts in euch antworten und hätten sie über keinen Teil eurer Natur Gewalt, so zögen sie sich zurück und ließen euch in Ruhe. Jedenfalls dürft ihr ihnen nicht erlauben, euren spirtlichen Fortschritt aufzuhalten oder zu hemmen. Verlieren kann man den Kampf gegen die feindlichen Kräfte nur, wenn man kein echtes Vertrauen in die Hilfe des Göttlichen hat. Aufrichtigkeit in der Sehnsucht bringt immer den nötigen Beistand herbei. Ein ruhiger, inbrünstiger Anruf, die Gewissheit, dass man beim Anstieg zur Verwirklichung niemals allein marschiert, und der Glaube, dass die Hilfe immer da ist, wenn man ihrer bedarf, führen euch leicht und sicher zum Sieg.
Kommen die feindlichen Kräfte im Allgemeinen von außen oder von innen?
- 37- Habt ihr das Gefühl, dass sie von innen kommen, so zeigt das, dass ihr für sie offen seid und sie sich unbemerkt in euch eingenistet haben. Die eigentliche Natur der Dinge ist Harmonie; doch gibt es eine Verschiebung in gewissen Welten, die Perversion und Feindschaft bewirkt. Habt ihr eine Affinität zu diesen entstellenden Welten, so könnt ihr mit Wesen von dort gut Freund werden und völlig unter ihren Einfluss geraten. Das kommt vor, ist aber kein sehr glücklicher Zustand. Das Bewusstsein wird sofort verdunkelt, und Wahres lässt sich nicht mehr von Falschem unterscheiden; ihr könnt nicht einmal mehr erkennen, was eine Lüge ist und was nicht. Wenn ein Angriff stattfindet, nimmt man jedenfalls am besten an, dass er von außen kommt und sagt sich: "Das bin ich nicht, und ich will damit nichts zu tun haben!" Genau so müsst ihr euch gegenüber allen niedrigen Impulsen und Begierden, allen Zweifeln und Unsicherheiten des Geistes verhalten. Wenn ihr euch mit ihnen identifiziert, sind sie noch viel schwieriger zu bekämpfen; denn dann habt ihr den Eindruck, vor der nie sehr bequemen Aufgabe zu stehen, eure eigene Natur zu überwinden. Sobald ihr jedoch imstande seid, euch zu sagen: "Nein, das bin ich nicht, damit will ich nichts zu tun haben!", wird es viel leichter, sie zu vertreiben.
Wo lässt sich zwischen innen und außen die Grenze ziehen?
Diese Grenze ist sehr flexibel; sie kann so nah oder so fern sein, wie ihr wollt. Ihr könnt alle Dinge in euch einlassen und sie als Teil eures wahren Wesens empfinden, oder aber sie loswerden wie ein Stück Haar oder Fingernagel, ohne dass es euch das geringste ausmacht. Es hat Religionen gegeben, deren Anhänger sich nicht einmal von einem bisschen Haar oder Fingernagel getrennt hätten aus Angst, etwas von ihrer Persönlichkeit zu verlieren. Die fähig sind, ihr Bewusstsein so weit wie die Welt zu machen, werden selbst die Welt; die sich aber in ihrem kleinen Körper und ihren beschränkten Sinnen einschließen, machen bei diesen Grenzen halt; ihr Körper und ihre armseligen Empfindungen sind ihnen ihr gesamtes Wesen.
- 38- Vermag Glaube allein alles zu schaffen, alles zu gewinnen?
Ja, aber es muss ein ganzheitlicher und unbedingter Glaube sein. Einer von der rechten Art, nicht bloß die Kraft eines Gedankens oder geistigen Wollens, sondern etwas viel Tieferes. Der vom Geist ausgehende Wille lässt entgegengesetzte Reaktionen entstehen und schafft einen Widerstand. Ihr habt sicher von Coue's Heilmethode gehört. Er wusste etwas von dieser Kraft, und er hat damit bemerkenswerte Erfolge erzielt; doch nannte er diese Kraft Autosuggestion, und seine Methode gab dem Glauben, dessen er sich bediente, eine zu mentale Form. Solch ein Glaube genügt nicht, er muss ergänzt und gestärkt werden durch vitalen Glauben und sogar einen physischen, einen Glauben des. Körpers. Gelingt es euch, in eurem gesamten Wesen eine ganzheitliche Kraft dieser Art zu begründen, so kann ihr nichts widerstehen; doch müsst ihr den Glauben bis in die Zellen eures Körpers bringen. Bei den Wissenschaftlern beginnt sich langsam die Erkenntnis durchzusetzen, dass der Tod nicht notwendig ist. Die Menschheit als Ganzes jedoch glaubt fest an den Tod; er ist sozusagen eine allgemeine menschliche Suggestion, die sich auf eine lange, unveränderte Erfahrung gründet. Könnte dieser Glaube zurückgewiesen werden, erst aus der bewussten Mentalität, dann aus der vitalen Natur und den unterbewussten Schichten des Physischen, so wäre der Tod nicht mehr unausweichlich.
Aber diese Idee des Todes besteht nicht nur im Denken des Menschen. Die Tierschöpfung kannte den Tod schon vor ihm. Der
Tod ist zwar allem irdischen Leben verhaftet, doch gibt ihm der Mensch einen
anderen Sinn als die Natur ursprünglich verliehen hatte. Im Menschen und den
seiner Stufe am nächsten stehenden Tieren hat die Notwendigkeit des Todes
eine besondere Form und Bedeutung angenommen. Das unterbewusste Wissen in der
niederen Natur, das den Tod aufrechterhält, spürt einfach die Notwendigkeit
der Erneuerung, Veränderung und Umwandlung. Der Zustand der Materie auf der Erde hat den Tod unerlässlich gemacht. Die Evolution der Materie hat ihren ganzen Sinn im
- 39-
Wachstum
aus erster Unbewusstheit in ein immer größeres Bewusstsein. Und die Art, in der
die Dinge bei diesem Wachstumsvorgang geschahen, machte die Auflösung der
Formen zur unerbittlichen Notwendigkeit. Denn eine feste Form war nötig,
damit das organisierte Einzelbewusstsein eine dauerhafte Stütze bekommen
konnte. Und gerade die Festigkeit der Formen machte den Tod unvermeidlich.
Materie musste Gestalt annehmen; Einzelwerdung und konkrete Verkörperung der
Lebens- und Bewusstseinskräfte wären nicht möglich gewesen ohne diese
Gestaltung, und ohne diese Kräfte hätten die Grundbedingungen für ein
organisiertes Dasein auf stofflicher Ebene gefehlt. Doch neigt eine
festumrissene, konkrete Form dazu, sofort zu erstarren und sich zu verhärten.
Die Beständigkeit der Einzelform macht sie zu einem allzu bindenden Gefüge;
sie kann den Bewegungen der Kräfte Man hat gesagt, Naturkatastrophen wie Erdbeben, Überschwemmung und Versinken von Kontinenten seien die Folge einer uneinigen, sündigen Menschheit, und mit dem Fortschritt und der Entwicklung des Menschengeschlechts würde auch eine entsprechende Wandlung in der physischen Natur stattfinden. Wie weit kann man dem Glauben schenken? Richtiger würde man wohl sagen, dass es ein und dieselbe Bewusstseinsbewegung ist, die sich durch eine von Katastrophen - 40- heimgesuchte
Natur und durch eine unharmonische Menschheit bekundet. Es handelt sich bei
den beiden nicht um Ursache und Wirkung, da sie sich auf der gleichen Stufe
befinden. Ein Bewusstsein über ihnen sucht sich zu offenbaren, sich auf Erden
einzukörpern, und beim Herabsteigen zur Materie trifft es überall auf
denselben Gibt
es nun irgendwo auf Erden eine Öffnung und Empfänglichkeit, die genügend
erwacht ist, um etwas vom göttlichen Bewusstsein rein herabsteigen zu lassen,
so kann diese Herabkunft, diese Offenbarung nicht nur das innere Leben,
sondern auch die stofflichen Bedingungen, den physischen Ausdruck in Mensch
und Natur verändern. Diese Herabkunft hängt nicht vom Zustand der Menschheit
insgesamt ab. Hätten wir zu warten, bis die stofflichen Bedingungen und die
Bewegungen der Natur sich ändern können und bis die Masse der Menschen einen
Zustand der Harmonie, Einheit und Sehnsucht erreicht hat, stark genug, das
Licht herabzubringen, dann bestünde recht wenig Hoffnung. Doch ist es für
einen einzelnen oder eine kleine Gruppe möglich, diese Herabkunft zu
bewirken. Nicht auf die Menge und den Umfang kommt es an. Ein Tropfen des göttlichen
Bewusstseins, der in ursprünglicher Reinheit das Erdbewusstsein durchdringt,
wird ausreichen, um alles zu verändern. Das
Mysterium des Kontaktes und der Verbindung zwischen höheren und tieferen
Bewusstseinsebenen ist das große Geheimnis, der verborgene Schlüssel. Dieser
Kontakt - 41- treten,
und kann er sie mit der stofflichen Welt in Verbindung und Übereinstimmung
bringen, indem er sich bei vollem Bewusstsein bis zu ihr erhebt, dann wird
sich die hier bisher unverwirklichte große und entscheidende Bewegung der
Umwandlung der Natur ereignen. Ein neues Vermögen wird herabsteigen und die
Bedingungen des irdischen Lebens ändern. Doch auch beim bisherigen Stand der Dinge haben sich jedesmal, wenn eine große Seele kam und ein Licht, eine Wahrheit enthüllte oder eine neue Kraft herabbrachte, die Bedingungen auf der Erde verändert, wenn auch nicht genau in der erhofften Weise. Zum Beispiel kam jemand, der eine gewisse Stufe des Bewusstseins und der spirtlichen Erfahrung erreicht hatte, und sagte: "Ich bringe euch den Frieden." Nun glaubten vielleicht jene, die um den einen oder den anderen geschart waren, die Verheißung sei materiell zu verstehen; als sie entdeckten, dass dem nicht so war, begriffen sie nicht, was er eigentlich getan hatte. Bewirkt worden war eine Veränderung im Bewusstsein, die Möglichkeit eines bisher nicht gekannten Friedens, das Vermögen zu einer nie dagewesenen Befreiung. Doch gehörte dies dem inneren Leben an und brachte keine greifbare äußere Veränderung in der Welt. Vielleicht bestand gar nicht die Absicht, die Welt äußerlich zu verändern, vielleicht fehlte das nötige Wissen; immerhin haben diese Pioniere etwas verwirklicht. Trotz
allen gegenteiligen Anscheins kann es sein, dass die Erde sich allmählich auf
eine bestimmte Verwirklichung vorbereitet hat, Schritt für Schritt. In den
Zivilisationen und in der Natur hat sich etwas verändert. Wenn uns das nicht
offenkundig ist, so daher, weil wir die Dinge von einem äußeren Standpunkt
aus betrachten, und auch — vom Gesichtspunkt des Göttlichen Lebens aus — weil
die Materie mit ihren Schwierigkeiten bis jetzt noch nie richtig in Angriff
genommen worden ist. Dennoch gab es innere Fortschritte; im inneren
Bewusstsein hat es Herabkünfte von Licht gegeben. Was aber irgendeine
Verwirklichung in der Materie betrifft, so ist es schwer, dazu etwas zu
sagen, denn wir wissen nicht genau, was da hätte geschehen können. In einer fernen Vergangenheit hat es schöne und große Zivilisationen gegeben, materiell vielleicht ebenso fortgeschritten wie - 42- unsere.
Von einem gewissen Standpunkt aus scheint die moderne Kultur nur eine
Wiederholung der alten Kulturen zu sein, und dennoch kann man nicht sagen, es
habe nirgends einen Fortschritt gegeben. Wenigstens ein innerer Fortschritt
ist gemacht worden, und eine größere Befähigung, dem höheren Bewusstsein zu
antworten, ist in den stofflichen Bereichen entstanden. Es war nötig, die
gleichen Dinge immer wieder zu tun, weil das Angestrebte nicht gut genug
getan worden war; aber mit jedem Versuch ist man dem zu Erreichenden näher
gekommen. Wiederholen wir beim Lernen eine Übung öfters, so beginnen wir
scheinbar stets dasselbe von neuem, und doch zeigt das Gesamtergebnis eine
tatsächliche Veränderung. Der
Irrtum besteht darin, diese Dinge aus dem Blickwinkel Wie viele von uns erinnern sich ihrer früheren Leben? Eine Erinnerung birgt sich irgendwo im Bewusstsein aller. Doch ist das ein gefährliches Thema, denn der menschliche Geist liebt Romane allzu sehr. Kaum weiß er etwas von dieser Wahrheit der Wiedergeburt, so will er auch schon schöne Geschichten darum weben. Eine Menge Leute werden euch Wunder davon erzählen, wie die Welt erschaffen wurde und was aus ihr in der Zukunft wird; sie sagen euch, wo und wie ihr in der Vergangenheit geboren wart und was ihr später sein werdet, was für Leben ihr schon hinter euch und was für welche ihr noch vor euch habt. Das alles hat nichts mit dem spirtlichen Leben zu tun. Zwar kann echte Erinnerung an frühere Leben Teil eines ganzheitlichen Wissens sein, doch durch fantasiereiche Vorstellungen lässt sie sich nicht gewinnen. Denn obwohl sie einerseits objektives Wissen ist, hängt sie andererseits weitgehend von subjektiver Erfahrung ab, und das - 43- lässt
für Erfindung, Entstellung und falsche Konstruktion einen großen Spielraum.
Um zur Wahrheit dieser Dinge vorzustoßen, muss das erfahrende Bewusstsein
rein und klar sein, von aller geistigen und vitalen Einmischung
- 44-
Es gibt Menschen, die wie Vampire sind. Was sind sie, und warum sind sie so?
Sie
sind nicht menschlich; nur die Form, die Erscheinung ist so. Es sind
Einkörperungen von Wesen aus einer Welt, die der physischen benachbart ist,
einer Ebene, die wir die vitale Welt nennen. Das ist die Welt all der
Begierden, Impulse und Leidenschaften, die Welt der Gewalttätigkeit, Gier,
Arglist und aller Art von Unwissenheit, aber auch das ganze dynamische
Vermögen ist dort, die Lebensenergien und viele Kräfte. Die Wesen dieser Welt
haben ihrer Natur nach eine seltsame Macht über die stoffliche Welt und
können auf sie einen verderblichen Einfluss ausüben. Manche von ihnen sind
aus menschlichen Teilen zusammengesetzt, die nach dem Tod in der vitalen
Atmosphäre nahe der irdischen Ebene fortbestehen. Die Begierden und Gelüste
der Menschen treiben dort auch nach Ihre Methode besteht darin, zunächst über einen Menschen Einfluss zu gewinnen. Dann dringen sie langsam in seine Atmosphäre ein, und zuletzt können sie ihn vollständig in Besitz nehmen und die wirkliche Menschenseele und die Persönlichkeit ganz und gar vertreiben. Wenn solche Kreaturen derart einen irdischen Leib
- 45- besetzt halten, haben sie das Aussehen eines Menschen, doch sicherlich keine menschliche Natur. Sie pflegen die Lebenskraft aus den Menschen zu ziehen; sie packen diese, wo immer sie sich von ihr nähren können. Kommen sie in eure Atmosphäre, so fühlt ihr euch plötzlich niedergeschlagen und erschöpft; bleibt ihr einige Zeit mit ihnen zusammen, so werdet ihr krank; lebt ihr mit einer von ihnen, so könnt ihr daran sterben.
Wie kann man denn solche Kreaturen aus seiner Umgebung vertreiben, wenn sie einmal darin sind? Die
in solchen Wesen verkörperte Macht ist von ganz stofflicher Art und wirkt nur
aus der Nähe. Wenn ihr nicht im selben Haus wohnt wie sie oder euch nicht in
ihrer Gesellschaft befindet, lauft ihr gewöhnlich keine Gefahr, unter ihren
Einfluss zu geraten. Stellt ihr aber einen Kontakt zu ihnen her, brieflich
zum Beispiel, so ermöglicht ihr einen Kräfteaustausch und setzt euch ihrem
Einfluss aus, auch auf große Entfernung. Das klügste ist, jede Beziehung
abzubrechen und nichts mehr mit ihnen zu tun zu haben — es sei denn, ihr habt
ein großes okkultes Wissen und Vermögen und könnt euch schützen; doch selbst
dann ist es immer gefährlich, mit ihnen zu verkehren. Sie zu bekehren hoffen,
wie das manche tun, ist eitler Wahn, denn sie wollen gar nicht bekehrt
werden. Sie haben nicht die geringste Neigung, eine Umwandlung zuzulassen,
und alle Bemühung in dieser Richtung ist nutzlos. Wenn
diese Wesen in einem Menschenleib sind, wissen sie oft nicht, was sie
wirklich sind. Manchmal haben sie ein vages Gefühl, auf nicht ganz
gewöhnliche Weise Mensch zu sein. Dennoch gibt es welche, die bewusst, ja
sehr bewusst sind; nicht nur wissen sie, dass sie nicht zur Menschheit
gehören, sondern auch was sie sind, und handeln diesem Wissen entsprechend,
indem sie ihre Ziele entschlossen verfolgen. Diese Wesen der vitalen Welt
sind von Natur aus mächtig, und wenn sie dazu noch Wissen haben, sind sie doppelt
gefährlich. Mit ihnen ist nichts zu machen; man muss sorgfältig allen Umgang
mit ihnen meiden, wenn man nicht die Macht hat, sie zu vernichten. - 46- hütet
euch vor dem Zauber, der von ihnen ausgeht. Wenn die vitalen Wesen sich auf
der physischen Ebene offenbaren, haben sie immer hypnotische Kraft, denn das
Zentrum ihres Bewusstseins liegt im Vitalen und nicht im Stofflichen; sie
sind nicht vom stofflichen Bewusstsein umhüllt und gemindert. Ist es nicht so, dass eine seltsame Faszination diese Kreaturen zum spirtlichen Leben zieht? Ja,
weil sie spüren, dass sie nicht zu dieser Erde gehören, sondern anderswoher
kommen; auch fühlen sie, dass sie Kräfte besessen hatten, die zur Hälfte
verloren sind, und sie brennen darauf, diese wiederzugewinnen. So stürzen sie
sich auf jeden, der ihnen Wissen von der unsichtbaren Welt geben kann. Doch
halten sie die vitale Welt für die spirtliche, und ihre Suche gilt vitalen,
nicht spirtlichen Zielen. Manchmal trachten sie auch das Spirtliche zu
verfälschen und daraus eine ihrer eigenen Natur gemäße Imitation zu machen.
Das ist sogar eine Art Huldigung, eine Entschädigung, die sie auf ihre Weise
dem spirtlichen Leben leisten. Eine gewisse Anziehung zwingt sie dazu; sie
haben sich gegen das göttliche Gesetz aufgelehnt — aber trotzdem, oder
vielleicht gerade deswegen, empfinden sie irgendwie ihre Bindung an die
Gegenwart des Göttlichen und fühlen sich zu ihm hingezogen. Darum sieht man sie bisweilen als Mittler dienen, indem sie solche, die zum spirtlichen Leben auf Erden bestimmt sind, miteinander in Verbindung bringen. Diese Rolle übernehmen sie nicht freiwillig, sondern zwangsläufig. Es ist eine Art Vergütung, die sie zu entrichten haben. Denn sie spüren den Druck des herabsteigenden Lichts, und sie ahnen, dass die Zeit gekommen oder doch nahe ist, wo sie wählen müssen zwischen ihrer Bekehrung und ihrer Auflösung — wählen, entweder sich dem göttlichen Willen hinzugeben und ihren Platz im Großen Werk einzunehmen, oder aber im Unbewussten zu versinken und nicht mehr zu sein. Der Kontakt mit einem Wahrheitssucher gibt solchen Kreaturen die Gelegenheit zur Wandlung. Alles hängt davon ab, wie sie diese Gelegenheit nutzen. Ergreifen sie sie in der richtigen Weise, so kann sie ihnen den Weg zur Befreiung öffnen und sie aus der
- 47- Falschheit,
Dunkelheit und Erbärmlichkeit herausholen, die den eigentlichen Stoff bilden,
aus dem die vitalen Wesen gemacht sind, und sie zur Erneuerung und zum wahren
Leben führen. Haben diese Wesen nicht große Macht über das Geld? In
der Tat ist jetzt die Macht über das Geld unter dem Einfluss oder in den
Händen von Kräften und Wesen der vitalen Welt. Aus diesem Grunde sieht man
Geld nie in beträchtlichen Summen an die Sache der Wahrheit gehen. Immer irrt
es ab, denn es steckt in den Klauen der feindlichen Kräfte und ist eines der
Hauptmittel, ihre Herrschaft über die Erde aufrecht zu erhalten. Diese
Beschlagnahme des Geldes ist machtvoll, umfassend und gründlich organisiert,
und es ist eine der schwierigsten Aufgaben, aus diesem geschlossenen Verband
etwas herauszuziehen. Versucht man, von seinen jetzigen Hütern ein bisschen
Geld zu holen, so muss man jedesmal einen grimmigen Kampf ausfechten. Und dennoch könnte ein einziger entscheidender Sieg, der irgendwo über die feindlichen Kräfte errungen würde, ihn gleichzeitig und automatisch auch an allen anderen Punkten möglich machen. Wenn diese Kräfte an einem Punkt nachgäben, würden alle, die jetzt meinen, für die Sache der Wahrheit nichts erübrigen zu können, plötzlich den starken Wunsch verspüren zu geben. Nicht dass diese Reichen, die jetzt mehr oder weniger Spielzeuge und Instrumente in den Händen der vitalen Kräfte sind; Abscheu vor dem Geldausgeben empfänden, vielmehr zeigt sich bei ihnen der Geiz nur dann, wenn die vitalen Impulse und Begierden schlummern. Sobald es aber darum geht, sich irgendeinen Wunsch zu erfüllen, den sie ihren eigenen nennen, geben sie noch so gerne aus; werden sie jedoch darum ersucht, einen Teil ihres Wohlstands und ihrer Einkünfte an das göttliche Werk zu geben, so trennen sie sich sehr schwer von etwas. Die vitale Macht, die das Geld kontrolliert, ist wie ein Wächter, der sein Gut in einem stets sorgfältig verschlossenen Sicherheitsfach wohl verwahrt. Jedesmal wenn man Leute, die unter dem Einfluss dieser Macht stehen, etwas von den Schätzen auszupacken bittet, stellen - 48- sie
misstrauisch alle möglichen Fragen, ehe sie einwilligen, ihre Kasse auch nur
ein bisschen zu öffnen. Erhebt sich in ihnen aber der vitale Impuls mit all
seinen Ansprüchen, so sperrt der Hüter freudig seinen Kasten auf, und das
Geld fließt in freien Strömen. Im allgemeinen hängen die Begierden, denen
diese Leute gehorchen, mit dem Geschlechtstrieb zusammen; sehr oft auch geben
sie dem Wunsch nach Ruhm und Ansehen nach, sowie der Lust auf gutes Essen
oder jedem Anreiz Warum ist es jemandem gestattet, anderen seinen Willen aufzuzwingen? Es
ist nicht so, dass es jemandem gestattet wäre, anderen seinen Willen
aufzuzwingen; doch gibt es einen allheitlichen Willen, und wer in gewissem
Grade fähig ist, ihn zu manifestieren, scheint eine größere Willenskraft zu
haben. Sie ist wie die Lebensenergie, das Licht, die Elektrizität oder jede
andere Kraft der Natur. Manche sind gute, andere schlechte Leiter dafür. Mit
Moral hat das nichts zu tun. Es ist eine Gegebenheit der Natur, ein Gesetz
des großen Spiels.
Kann man die vitalen Wesen in ihrem eigenen Gebiet treffen?
- 49- Sie
entwickeln sich in einer überphysischen Welt, wo Menschen, wenn sie zufällig
dorthin gelangen, sich verloren, machtlos und wehrlos fühlen. Der Mensch ist
im stofflichen Körper zuhause und in Sicherheit, der Körper ist sein Schutz.
Es gibt Leute, die ihren Körper ganz und gar verachten; sie meinen, alles
würde viel besser und leichter ohne ihn, nach dem Tod. Tatsächlich aber ist
er ihre Zuflucht, ihre Festung. Solange sie darin wohnen, ist es für Wesen
der vitalen Welt schwierig, sie in ihre Gewalt zu bekommen. Wisst ihr, was
ein Albdruck ist? Ein Ausflug in die vitale Welt. Und was versucht ihr als
erstes, wenn ihr von einem Alb gepeinigt werdet? Ihr stürzt euch wieder in
den Körper und rüttelt euch ins normale physische Bewusstsein zurück. In der
Welt der vitalen Kräfte hingegen seid ihr Fremde; es ist ein unbekanntes
Meer, und ihr habt weder Kompass noch Steuerruder. Ihr wisst nicht, wie und
wo ihr vorankommen könnt, und bei jedem Schritt tut ihr gerade das Gegenteil
von dem, was zu tun wäre. Sobald
ihr ein Gebiet der vitalen Welt betretet, bedrängen euch dessen Bewohner, um
euch alles zu entreißen, was ihr habt, und als Nahrung zu erbeuten, was sie
nur können. Wenn ihr nicht ein starkes und machtvolles Licht habt, das aus
dem Wesen strahlt, so geht es euch dort ohne Körper, als hättet ihr gegen
Kälte keinen Mantel, kein Haus als Obdach, ja nicht einmal eine Haut über
euren allen Stößen preisgegebenen Nerven. Es gibt Leute, die zu sagen wagen:
"Wie unglücklich bin ich in diesem Körper!", und die an den Tod als
eine Befreiung denken. Aber nach dem Tod habt ihr dieselbe vitale Umgebung
und seid den gleichen Gefahren ausgesetzt von eben den Kräften, die in diesem
Leben die Ursache für eure Nöte sind. Die Auflösung des Körpers versetzt euch
in die Bereiche der vitalen Welt, und dort habt ihr nichts mehr, was euch
schützt, keinen physischen Körper, in dem ihr Zuflucht suchen könnt. Hier auf Erden, im Körper selbst, müsst ihr vollständiges Wissen erlangen und umfassende Macht gebrauchen lernen. Erst wenn ihr dieses Wissen und diese Macht gewonnen habt, könnt ihr euch in allen Welten in völliger Sicherheit bewegen. Erst wenn es euch unmöglich ist, auch nur die geringste Angst zu empfinden, wenn - 50- ihr zum Beispiel sogar während des schlimmsten Albdrucks kühles Blut bewahrt, könnt ihr euch sagen; "Jetzt bin ich bereit, die vitale Welt zu betreten." Das bedeutet aber die Erwerbung eines Wissens und einer Macht, die man nicht erlangt, bevor man vollkommen Herr der Impulse und Begierden der vitalen Natur ist. Ihr müsst absolut frei sein von allem, was die Wesen der Finsternis anlocken und ihnen ermöglichen kann, euch zu beherrschen. Seid ihr nicht frei, so hütet euch! Kein Anhängen, kein Begehren, keine Impulse, keine Vorliebe; vollendeter Gleichmut der Seele, unveränderlicher Friede, absolutes Vertrauen in den göttlichen Schutz: damit seid ihr in Sicherheit, ohne das aber in Gefahr. Und solange eure Sicherheit nicht gewiss ist, macht ihr es am besten wie die kleinen Küken, die sich unter den mütterlichen Fittichen bergen.
Wie kann der physische Körper als Schutz dienen? Durch
seine Schwerfälligkeit — genau das, was wir ihm vorwerfen. Er ist träge und
stumpf, grob, starr und hart; er gleicht einer Festung mit ihren dicken und
starken Mauern. Die vitale Welt hingegen ist fließend; alles darin bewegt
sich, vermischt und durchdringt sich gegenseitig ungehindert; das gleicht den
Wellen des Meeres, die unaufhörlich ineinandergleiten. Man ist wehrlos gegen
dieses Fließende der vitalen Welt, sofern man ihr nicht von innen eine sehr
starke Kraft und ein sehr helles Licht entgegenzusetzen hat; sonst
durchdringt sie euch, und nichts vermag etwas gegen ihren überwältigenden Einfluss.
Aber der Körper tritt dazwischen; er hält die vitale Welt von euch ab und
dämmt das Fluten dieser Kräfte ein. Wie kann es in den so fließenden Formen der vitalen Welt Individualität geben? Individualität ist da, nur sind die Formen nicht fest und hart wie bei verkörperten Geschöpfen. Individualität bedeutet nicht Starrheit ohne jede Plastizität. Ein Stein hat eine starre Form, vielleicht die starrste, die wir kennen, und dennoch hat er recht - 51- wenig
Individualität. Nehmt zehn oder zwanzig Steine, und ihr werdet sehen, wie
schwer es ist, sie voneinander zu unterscheiden. Doch die Wesen der vitalen
Welt lassen sich auf den ersten Blick unterscheiden; man erkennt sie an etwas
in der Struktur ihrer Gestalt, an der Atmosphäre, die jedes um sich hat, der
Art, wie es sich bewegt, spricht und handelt. Wie sich bei den Menschen der
Ausdruck ändert, je nachdem, ob
- 52-
Von welcher Art ist die Macht des Denkens? Wie und inwieweit bin ich der Schöpfer meiner Welt?
Nach
buddhistischer Lehre lebt und bewegt sich jeder in einer ihm eigenen Welt,
ganz unabhängig von den Welten, in denen die anderen leben. Erst wenn ein
gewisser Einklang zwischen diesen verschiedenen Welten hergestellt ist,
können sie sich gegenseitig durchdringen und die Menschen einander wirklich
begegnen und verstehen. Das gilt für den Geist, denn jeder bewegt sich in
seiner eigenen geistigen Welt, aus Gedanken erbaut, die er zu den seinen
gemacht hat. Und das so sehr, dass immer wenn etwas gesagt wird, jeder es
anders versteht, nämlich entsprechend seiner geistigen Prägung; ja, was jeder
auffasst, ist gar nicht das Gesagte, sondern was er schon im Kopf hatte. Doch
trifft das nur für die geistige Ebene zu. Denn
der Geist ist ein Werkzeug der Tat und der Formung, nicht des Wissens; er
schafft unablässig Formen. Gedanken sind Formen und haben ein vom Urheber
unabhängiges Eigenleben. Von ihm in die Welt geschickt, drängen sie zur
Erfüllung ihres Zwecks. Wenn ihr an jemanden denkt, nehmen eure Gedanken eine
Form an und
- 53- vorausgesetzt,
dass in eurer Gedankenform genügend Willenskraft steckt und die Prägung gut
gebildet ist, wird sie ihr Ziel erreichen. Doch zwischen Formung und
Verwirklichung vergeht immer eine gewisse Zeit, und weil euer Denken
unterdessen mit etwas anderem beschäftigt war, kann es vorkommen, dass ihr
dann, wenn der vergessene Gedanke sich erfüllt, euch nicht mehr erinnert, dass
ihr ihn hervorgebracht habt; ihr wisst nicht, dass ihr der Urheber seines
Wirkens und der Anstifter von dem seid, was sich ereignet. Sehr oft geschieht
es auch, dass ihr das Ergebnis, wenn es sich einstellt, gar nicht mehr
begehrt oder für wichtig haltet. Es
gibt Menschen, die eine sehr starke derartige Formungskraft besitzen und
deren Prägungen sich stets verwirklichen; weil aber ihr geistiges und vitales
Wesen nicht gut diszipliniert und ihr Wille nicht einheitlich ausgerichtet Dieses
Wissen ist von großer Bedeutung, wenn es zugleich mit dem Geheimnis gegeben
wird, wie man es richtig gebraucht. Disziplin und Selbstbeherrschung sind das
Geheimnis; es besteht darin, in sich die Quelle der Wahrheit und diese
dauernde Führung durch den göttlichen Willen zu finden, der allein jeder
Prägung ihre volle Macht und ihre ganzheitliche harmonische Verwirklichung zu
geben vermag. Im
Allgemeinen formen die Menschen Gedanken, ohne
zu wissen, wie diese Prägungen sich verhalten und wirken. In einem Zustand
von Verwirrung und Unwissen gebildet, widerstreiten sie einander, und indem sie
Spannung, Anstrengung und Müdigkeit hervorrufen, schaffen sie den Eindruck,
man müsse sich den Weg durch eine Menge Hindernisse bahnen. Unter diesen
Bedingungen des Unwissens und der Zusammenhanglosigkeit geraten sie
aneinander, und schließlich tragen die stärksten und ausdauerndsten den Sieg
über die anderen davon. - 54- Eines
ist sicher, was den Geist und seine Wirkungsweise betrifft: man kann nur
begreifen, was man innerlich schon weiß. In einem Buch seid ihr von dem
beeindruckt, was ihr zutiefst in euch bereits erfahren habt. Wenn jemand Man
macht sehr häufig die Erfahrung, dass etwas Gesagtes entstellt wird; das hat
einen ähnlichen Grund. Man sagt etwas ganz klar — aber wie es aufgefasst
wird, ist verblüffend. Jeder versteht etwas anderes, als gemeint war, und
gibt dem sogar manchmal den umgekehrten Sinn. Wenn ihr richtig auffassen und
diese Art Irrtum vermeiden wollt, müsst ihr hinter Ton und Ablauf der Worte
dringen und lernen, im Schweigen zu lauschen. Wenn ihr im Schweigen lauscht,
so hört und versteht ihr richtig; doch solange sich in eurem Hirn etwas rührt
und Geräusche macht, erfasst ihr bloß, was ihr im Kopf habt, aber nicht das
Gesagte. Warum wird man von einem Haufen widriger Umstände verfolgt, wenn man mit dem Joga in Berührung kommt? Jemand hat gesagt, sobald man dem Joga die Tür öffne, stehe man vor einer Menge Hindernissen. Stimmt das?
Nicht als absolute Regel; es kommt ganz auf die Person an. Für viele treten widrige Umstände auf, um schwache, Punkte ihrer Natur auf die Probe zu stellen. Seelischer Gleichmut ist die - 55- unerlässliche
Grundlage des Joga; sie muss gut gelegt sein, bevor man auf dem Weg frei
voranschreiten kann. Es versteht sich, dass so gesehen alle Störungen
Prüfungen sind, die es zu bestehen gilt. Sie sind aber auch nötig, um die
Schranken umzuwerfen, die eure geistigen Gebäude um euch aufgerichtet haben
und die euch daran hindern, euch dem Licht und der Wahrheit zu öffnen. Die
geistige Welt, in der ihr lebt, ist begrenzt, auch wenn ihr diese Grenze
weder kennt noch fühlt; es muss etwas kommen, dies Gebäude zu zerstören, in
das euer Geist sich eingeschlossen hat, und ihn befreien. Zum Beispiel haben die
meisten Leute Regeln, Ideen und feste Grundsätze, denen sie die größte
Wichtigkeit beimessen; oft hängen sie an gewissen moralischen Vorschriften,
wie die zehn Gebote: "Du sollst Vater und Mutter ehren", "Du
sollst nicht töten", oder andere dieser Art. Jeder hat sein
Steckenpferd, seine Lieblingslosung; jeder meint, von diesem oder jenem
Vorurteil frei zu sein, in dem andere befangen sind und zögert nicht, sie als
ganz und gar falsch zu verurteilen; dabei wähnt er, die seinigen seien
durchaus nicht von der gleichen Sorte; für ihn sind sie die wirkliche
Wahrheit. An
einer geistigen. Regel zu hängen, zeigt eine noch irgendwo verborgene
Blindheit an. Nehmt zum Beispiel den in der ganzen Welt verbreiteten
Aberglauben, dass - 56- angenehmes
Leben führt, ungezwungen isst und, von schönen und luxuriösen Dingen umgeben,
sein Hab und Gut nicht an die Armen verteilt, sondern annimmt und gebraucht,
was er erhält. Wegen eurer vorgefassten Meinung seid ihr sogleich verwirrt
und ruft aus: "Was ist denn das? Ich erwartete, einen spirtlichen
Menschen anzutreffen!" Diese falsche Vorstellung muss zerbrochen werden
und verschwinden. Sobald ihr sie los seid, entdeckt ihr etwas viel Höheres
und Schöneres als eure enge asketische Regel; ihr findet eine völlige
Offenheit, die das Wesen ganz und gar frei lässt. Bekommt ihr etwas, so nehmt
ihr es an; verlässt es euch wieder, so trennt ihr euch ebenso bereitwillig
davon. Die Dinge kommen zu euch, und ihr haltet sie nicht zurück — beides mit Wenn man sich dem Göttlichen zuwendet, muss man reinen Tisch mit allen geistigen Konzeptionen machen; statt dessen aber wirft man gewöhnlich seine ganzen Vorstellungen auf das Göttliche und will, dass es sich danach richte. Die einzig wahre Haltung für einen Jogi ist es jedoch, plastisch zu sein und bereit, das göttliche Geheiß auszuführen, was es auch sein möge; es darf nichts geben, was ihm unentbehrlich oder eine Bürde ist. Oft weisen Menschen, die ein spirtliches Leben führen möchten, in einer ersten Regung alles, was sie haben, weit von sich; doch tun sie es, weil sie sich einer Last entledigen wollen und nicht, um es dem Göttlichen hinzugeben. Wenn Leute sich dem Göttlichen zuwenden, die wohlhabend und von Dingen umgeben sind, die Annehmlichkeit und Genuss verleihen, dann ist es ihr erster Impuls, diese Dinge zu - 57- fliehen; das nennen sie dann "ihrer Knechtschaft entgehen". Doch ist dies eine unwissende und falsche Regung. Ihr dürft nicht meinen, euer Hab und Gut gehöre euch; alles gehört dem Göttlichen. Will das Göttliche, dass ihr irgend etwas genießt, so genießt es; seid aber auch bereit, wenn es der göttliche Wille ist, es im nächsten Augenblick ebenso gern wieder aufzugeben.
Was sind körperliche Krankheiten? Sind es Angriffe feindlicher Kräfte von außen?
Hierbei ist zweierlei zu bedenken: das, was von außen kommt und auch das, was vom inneren Zustand herrührt. Die innere Verfassung wird zur Krankheitsursache, wenn es darin Widerstand oder Auflehnung gibt, oder wenn ein Teil des Wesens auf den Schutz nicht anspricht. Gelegentlich ist da sogar etwas, das fast freiwillig die feindlichen Kräfte ruft. Eine winzige Regung dieser Art genügt, und im Nu überfallen sie euch, wobei ihr Angriff meistens die Form einer Krankheit annimmt.
Werden denn Krankheiten nicht manchmal von Mikroben verursacht, ohne dass das etwas mit Joga zu tun hätte?
Wo fängt der Joga an, und wo hört er auf? Ist nicht euer ganzes Leben Joga? Krankheitsmöglichkeiten sind stets in eurem Körper und um euch herum vorhanden, da wimmelt es von Keimen und Mikroben, und ihr tragt sie in euch. Wie kommt es, dass ihr plötzlich einer Krankheit erliegt, während sie euch jahrelang nichts anhaben konnte? Ihr mögt sagen, wegen einer ‘‘Depression der Vitalität"; woher aber diese Depression? Sie ist die Folge einer Disharmonie im Wesen, einer mangelnden Empfänglichkeit für die göttlichen Kräfte. Trennt ihr euch von der Energie und dem Licht ab, die euch aufrechterhalten, so folgt daraus Depression, entstehen "günstige Voraussetzungen", und die unsichtbaren Feinde nehmen ihren Vorteil wahr. Was jede Verbindung mit dem göttlichen Licht und der Energie unterbricht, sind Zweifel, Trübsinn, mangelndes Vertrauen und Ich-Verkrampfung; das unterbricht jegliche Verbindung mit dem göttlichem Licht und der göttlichen Energie und
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euch dem Angriff preis. In solchen Regungen muss man die Ursache von
Krankheiten sehen und nicht bei den Mikroben.
Aber hat es sich nicht gezeigt, dass durch bessere Hygiene der öffentliche Gesundheitszustand sich gebessert hat?
Medizin und Hygiene sind unerlässlich für das gewöhnliche Leben; doch spreche ich jetzt nicht von der Öffentlichkeit, sondern von denen, die Joga machen. Doch sogar für die Allgemeinheit hat Hygiene einen Nachteil; man verringert zwar die Gelegenheiten krank zu werden, aber auch die natürliche Widerstandskraft. Krankenschwestern, die sich immer die Hände desinfizieren müssen, machen die Erfahrung, dass diese nachher anfälliger sind als die Hände anderer. Es gibt Leute, die keine Ahnung von Hygiene haben und die unreinlichsten Arbeiten verrichten, ohne sich anstecken zu lassen. Ihr Unwissen hilft ihnen, indem es sie vor den Suggestionen medizinischer Kenntnis schützt. Es stimmt allerdings auch, dass euer Glaube an die getroffenen Gesundheitsmaßnahmen ihrem Zweck dient; denn wenn ihr denkt: "Jetzt bin ich desinfiziert und in Sicherheit", dann seid ihr, soweit euer Gedanke reicht, immun.
Warum müssen wir dann Vorsichtsmaßregeln treffen und gefiltertes Wasser trinken?
Ist einer unter euch, der genügend rein und stark ist, sich von keiner Suggestion berühren zu lassen? Trinkt ihr ungefiltertes Wasser und denkt dabei: "Jetzt trinke ich unreines Wasser", so habt ihr alle Aussicht krank zu werden. Und auch wenn ihr den Einflüsterungen nicht gestattet, in das bewusste Denken zu dringen, so ist doch euer ganzes Unterbewusstes da, und das ist denselben Einflüsterungen passiv offen. Im gewöhnlichen Leben ist die Tätigkeit des Unterbewussten vorherrschend; es wirkt hundertmal mächtiger als die bewusstesten Teile des Wesens. Die Menschen sind normalerweise voll Besorgnis und Furcht. Beobachtet ihr zehn Minuten lang aufmerksam euren physischen Geist, so stellt ihr fest, dass er während neun Minuten voller Ängste
- 59- war. Er trägt eine Furcht vor vielen Dingen in sich, großen und kleinen, nahen und fernen, sichtbaren und unsichtbaren; und obgleich euch das im Allgemeinen nicht bewusst wird, ist es dennoch da. Ständige Anstrengung und Disziplin sind nötig, um sich von aller Furcht zu befreien. Und habt ihr in dieser Weise den Geist und das Vitale von aller Besorgnis und Furcht befreit, so ist es noch schwerer, den Körper zu überzeugen. Doch auch das muss getan werden. Betretet ihr den Jogaweg, so müsst ihr euch aller Ängste entledigen, derer des Geistes, des Vitalen und des Körpers, wo sie in den Zellen sitzen. Der Nutzen all der Stöße und Schläge auf dem Jogaweg liegt unter anderem darin, euch von aller Furcht zu befreien. Die Ursachen eurer Ängste begegnen euch immer wieder, bis ihr frei und gleichmütig, unberührt und rein vor ihnen bestehen könnt. Einer fürchtet zum Beispiel das Meer, ein anderer das Feuer. Dieser wird wohl so lange Feuersbrünsten begegnen, bis er sich so weit in der Gewalt hat, dass keine Zelle seines Körpers mehr zittert. Denn. das, was euch Schrecken einjagt, sucht euch hartnäckig so lange. auf, bis ihr davon geheilt seid. Wer die Umwandlung will und den Weg beschreitet, muss völlig unerschrocken sein; er darf sich von nichts stören oder erschüttern lassen, auch nicht im geringsten Teil seines Wesens.
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